Friends and Friends of Friends
Künstlergemeinschaften im Zeitalter der sozialen Medien
06.01.21
Künstlergemeinschaften waren einst auf Treffen und Gespräche im realen Leben angewiesen. Die Künstler*innen teilten sich Ateliers, unternahmen gemeinsame Ausflüge, formulierten Programme mit Zielen und warben aktiv um Mitglieder. Künstlergemeinschaften im Zeitalter der sozialen Medien vernetzen sich online miteinander und treten in direkten Austausch. Sie lassen die akademische Herangehensweise hinter sich und finden wie die Young British Artists neue Wege und Strategien, um die eigenen Arbeiten zu zeigen und zu vertreiben.
Sie teilen ihre Kunst über das soziale Netzwerk Instagram, geben Einblicke in die Entstehung ihrer Werke und unterhalten sich öffentlich in Livestreams über ihren Arbeitsprozess. Im Gegensatz zu den Netzkünstler*innen, die seit den 1990er Jahren netzbasierte und digitale Werke schaffen, arbeiten die Künstler*innen in der Ausstellung im Medium der Malerei und Skulptur. Ihr Bezugspunkte sind die Pop Art von Andy Warhol bis Cindy Sherman und die Post-Internet Art. Ihre Themen sind Konsum und Identität, Technologie und Sexualität, Medien und Privatsphäre.
Di-So, Fei | 10-18 Uhr |
Intuitiv schaffen junge Künstler*innen, die als Digital Natives mit dem Internet aufgewachsen sind, wieder physische Werke. Fake News und Deepfakes, Fehlinformation und Medienmanipulation, führen zu Unsicherheit im Umgang mit Informationen und zum Verlangen nach empirischer Sicherheit und haptischen Erfahrungen. Im Jahr 2017 prägte der Brite Oli Epp den Begriff Post-Digital Pop und beschrieb damit seine Malerei, die eine Reaktion auf das Leben vor und hinter den Bildschirmen von Smartphones, Tablets und Laptops ist. Gemeinsam mit der britischen Autorin und Kuratorin Aindrea Emelife wählte Epp die 20 Künstler*innen in der Ausstellung aus, die in ihren Werken direkt oder indirekt Position beziehen zu aktuellen Debatten um Black Lives Matter, Netzfeminismus, Geschlechtsidentität und Internetkultur.
Brandon Lipchik beispielsweise richtet in seinen Gemälden seinen Blick wie eine Drohne aus extremer Vogelperspektive auf Menschen in ihrem privaten Umfeld. Drei Männer sitzen im Garten, zwei Männer steigen in einen Pool. Die Betrachter*innen werden zu unfreiwilligen Voyeur*innen, der Künstler zum übergriffigen Beobachter. Lipchik spiegelt in seinem Werk, wie aus Distanz in den sozialen Medien vermeintliche Nähe wird. Sarah Slappey überzeichnet in ihren Gemälden Details weiblicher Körper, die auf Instagram im Medium der Fotografie zensiert werden würden. Ihre Körper wirken so grotesk und bedrohlich, wie die Macht und Meinung der Nutzer*innen sozialer Medien ist, wenn es um weibliche Schönheitsideale geht. Devan Shimoyama zelebriert in seiner Malerei mit Glitzer und Strass schwarze Körper und Popkultur und schafft so prachtvolle Gegenbilder zur monolithischen Erzählung über schwarzes Leid und Traumata.
Die Ausstellung „Friends and Friends of Friends“ hebt das Potential einer global vernetzen Welt am Beispiel einer Gemeinschaft von jungen Künstler*innen hervor, die online und offline künstlerische und gesellschaftliche Debatten vorantreiben. Während soziale Medien von Reaktionären genutzt werden, um die Demokratie zu schwächen, nutzen junge Künstler*innen Plattformen wie Instagram, um die Kunstwelt zu demokratisieren.
Künstler*innen:
Gina Beavers, Daniel Boccato, Shawanda Corbett, Nick Doyle, Oli Epp, Al Freeman, Dominique Fung, Roxanne Jackson, Cheyenne Julien, Austin Lee, Dale Lewis, Brandon Lipchik, Rene Matić, Jebila Okongwu, Harrison Pearce, Peter Schuyff, Devan Shimoyama, Sarah Slappey, Ben Spiers
Oli Epp, Quarantine, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand, 200 x 180 cm © Courtesy of Oli Epp and Carl Kostyál Gallery